Romantisch wild und wohlgeordnet

In den restaurierten Parklandschaften des Hirschberger Tals lebt der Geist von Lenné

Strahlendes Herbstlaub, sonnenklarer Himmel und das Riesengebirge zum Greifen nahe – wer im Herbst die Schlösser des Hirschberger Tals besucht, kann die Schönheit der historischen Parkanlagen genießen. Viele sind mit einem berühmten Namen verbunden: Peter Joseph Lenné. Ob Erdmannsdorf, Lomnitz oder Schildau, der preußische Gartendirektor schuf vor knapp 200 Jahren ein Netz von Landschaftsparks, die bis heute der größte Schatz des romantischen Tals bei Jelenia Góra (Hirschberg) im Südwesten Polens sind. Wie die Schlösser wurden auch die Parks aus ihrem Dornröschenschlaf geweckt.

Wer heute durch den Schlosspark in Bukowiec (Buchwald) schlendert und seinen Blick vom renovierten Teepavillon zum Gipfel der Śnieżka, der berühmten Schneekoppe, wandern lässt, der wird kaum noch erahnen, wie es dort bis vor einigen Jahren aussah. Wie viele andere prachtvolle Residenzen im Hirschberger Tal, war auch der Familiensitz des Grafen und der Gräfin von Reden in einen tiefen Dornröschenschlaf versunken und die Parkanlage kaum noch erkennbar. Vor wenigen Jahren erwarb die Stiftung Schlösser und Gärten einen Großteil des Anwesens. Historische Sichtachsen wurden wieder freigeschnitten, alte Pflanzungen und Wege erneuert, Parkbauten restauriert und die ehemalige Scheune des Vorwerks als Kulturscheune wiedereröffnet.

Graf und Gräfin von Reden war Trendsetter im Hirschberger Tal. In den 1790er Jahren ließ sie ihr Anwesen in Buchwald vom preußischen Baumeister Carl Gotthard Langhans im klassizistischen Stil umbauen und wenig später einen Landschaftsgarten nach englischem Vorbild anlegen. Friedrich Wilhelm von Reden, der in Schlesien als Berghauptmann wirkte, war nach einem Besuch in England begeistert von der Mode der englischen Landschaftsgärten. In diesem Sinne sollte das Anwesen in Buchwald eingebettet in die Natur ein emotional-intellektuelles Erleben der Landschaft ermöglichen.

Nach mehrjährigen Sanierungsarbeiten ist der rund 120 Hektar große Park in Teilen wieder für den Besucherverkehr geöffnet. Einen idyllischen Akzent setzen die neun Teiche des Parkgeländes. Neben dem Teepavillon wurde bereits der im pseudogotischen Stil erbaute Aussichtsturm wieder aufgebaut. Von seiner Spitze aus eröffnet sich ein eindrucksvoller Blick auf die Rudawy Janowickie (Landeshuter Kamm) und auf das Riesengebirge. Auch derzeit nicht mehr existierende Objekte, wie der griechische Pavillon oder die Fischerhütte, sollen wiederaufgebaut werden. Perspektivisch sollen fünf touristische Wege durch das Gelände führen: der romantische Weg, der botanische Weg, die Landschaftsgartenroute, der geologische Weg und eine Fahrradroute. Wie damals soll das Vorwerk wieder Residenz, landwirtschaftliche Flächen und Park im Sinne einer „ornamental farm“ verbinden. Das baufällige Ensemble wird erneuert und künftig als Bildungszentrum genutzt, eine Scheune wurde bereits für kulturelle Veranstaltungen hergerichtet und beherbergt ein kleines Café.

Gräfin Friederike von Reden hatte es einst verstanden, Kunst und Adel zusammenzubringen. Die Hausherrin in Buchwald schuf eine einzigartige Atmosphäre und ihr ist es zu verdanken, dass das Hirschberger Tal kulturell erblühte. Durch Buchwald inspiriert, erwarben zahlreiche Angehörige des preußischen Adels Anwesen in der Umgebung. So gehörten unter anderem die Schlösser in Wojanów (Schildau), Mysłakowice (Erdmannsdorf) und Karpniki (Fischbach) zum Besitz der Hohenzollern.

König Friedrich Wilhelm III. erwarb 1839 Schloss Schildau für seine Tochter, Luise von den Niederlanden. Das Schloss selbst wurde wahrscheinlich von Friedrich August Stüler im Stile der Neogotik umgebaut. Mit der Umgestaltung der Freiräume wurde Peter Joseph Lenné beauftragt, dessen gartenkünstlerisches Werk heute wieder erlebbar ist. Schon von weitem glänzt die weiße Märchenfassade des Schlosses die sich deutlich von den Herbstfarben der Parkanlage absetzt. Von der Terrasse des Anwesens eröffnet sich eine wunderbare Sichtachse durch den Landschaftspark bis hin zur Schneekoppe. Umgeben von Schloss und Wirtschaftsgebäuden empfängt aber zunächst der Schlossgarten die Besucher. Er wurde als regelmäßig angelegter „pleasure ground“ mit niedrigen Pflanzungen und einem zentralen Springbrunnen konzipiert. Vom Landschaftspark ist er auf der rückwärtigen Seite durch einen Teich mit Wasserlauf getrennt, über den eine Brücke führt. Die 16 Hektar große Anlage schmiegt sich gekonnt an den Lauf des Bóbr (Bober).

Nur einen Steinwurf entfernt lädt am gegenüberliegenden Ufer ein weiteres herrschaftliches Anwesen zum Besuch ein, dessen Park ebenfalls Lennés Handschrift trägt. Der etwa 9 Hektar große englische Landschaftspark von Schloss Lomnitz, dem heutigen Łomnica, entstand in den Jahren 1843-1847. Bestimmendes Element der in Ober- und Unterpark geteilten Anlage ist der Bóbr. Der Fluss lässt die Parks von Łomnica und Wojanów zu einer eindrucksvollen Gesamtkomposition verschmelzen. Zwischen Lomnitzer Haupt- und Witwenschloss erstreckt sich der als klassischer pleasure ground konzipierte Schlossgarten. Von einer hohen Feldsteinmauer ist der Küchengarten umgeben, dessen Erzeugnisse selbstverständlich in den Restaurants des Schlosses verwendet werden. Die Anlage ist der ganze Stolz von Ulrich und Elisabeth von Küster, die den einstigen Familiensitz Anfang der 1990er Jahre erwarben und seitdem erfolgreich wiederaufbauten. Ebenso wie in Schildau nutzen sie die Parkanlagen für verschiedene Veranstaltungen, wie etwa klassische Konzerte.

Konzerte mit dem Flair einer romantischen Parklandschaft hat auch der Pałac Staniszów (Stonsdorf) zu bieten. Anfang des 19. Jahrhunderts entstand in der Heimat des berühmten Kräuterbitters ein wildromantischer Landschaftsgarten mit idyllischen Alleen, Teichläufen und schroffen Felsformationen. Besonders im Herbst kommt der alte Baumbestand zur Geltung, eröffnen die Sichtachsen des Anwesens bezaubernde Panoramen. Am Fuße des Riesengebirges erkennt man die wohlgeordnete, aber dennoch nahe an der Natur orientierte Parklandschaft. Eine Umgebung, die sowohl zu angeregten Spaziergängen, wie auch zur Kontemplation, zu Qi-Gong-Workshops und Naturbeobachtung einlädt. Agata und Wacław und Dzida haben vor einigen Jahren mit dem Wiederaufbau der einstigen Schlossanlage der Grafen von Reuß begonnen. Um das spätbarocke Hauptschloss und das klassizistische Kavaliershaus ist heute wieder ein ansprechender pleasure garden angelegt, zu dem sich die Front des großen Ballsaals hin öffnet. Ein großer Teich trennt das Schloss von den einstigen Wirtschaftsgebäuden. Dort befinden sich eine Kunstgalerie sowie das SPA&Wellnesszentrum des Schlosshotels.

Eine der wichtigsten Parkanlagen von Peter Joseph Lenné befindet sich auf halber Strecke zwischen Staniszów und Bukowiec. Im heutigen Gemeindesitz Mysłakowice erwarb Friedrich Wilhelm III. von Preußen im Jahre 1831 das dortige Schloss. Der König beauftragte Lenné mit der Umgestaltung der Parkanlagen. Dieser fand eine wunderbare Naturlandschaft vor, die er behutsam zu einem ausgedehnten Landschaftspark umwandelte. Der heute rund 13 Hektar große Park verfügt über einen wertvollen historischen Baumbestand. Sehenswert ist auch die einstige evangelische Kirche, in Werk des berühmten preußischen Baumeisters Karl-Friedrich Schinkel. Er war auch für den Umbau des Schlosses zu einer neogotischen Residenz verantwortlich. Das eindrucksvolle Bauwerk beherbergt seit 1950 die Grund- und Oberschule der Gemeinde.

Informationen:

Das Hirschberger Tal zählt zu den schlösserreichsten Regionen Europas. Rund um die Kreisstadt Jelenia Góra befinden sich rund drei Dutzend Burgen, Schlösser und Herrenhäuser. Mehrere Schlösser wurden in stilvolle Schlosshotels verwandelt. Jelenia Góra liegt etwa 70 km entfernt vom Grenzübergang in Görlitz. Informationen über die Region und ihre Schlösser unter www.talderschloesser.de

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